Der erste Band der Reihe Meisterspionin Mary Quinn beginnt erst einmal mit Marys Vorgeschichte und man erfährt auch im Laufe des ersten Bandes immer mehr über ihre Vergangenheit, ihre Familie und damit über sie selbst, was mir sehr gut gefallen hat, weil man so die Protagonistin immer besser kennenlernt.
Mich haben einige große Zufälle gestört, auf deren Auflösung ich am Ende des ersten Bandes noch gehofft hatte: Mary wird durch die Ermittlungen zu einem Laskarenheim geführt, das eine Verbindung zu ihrer eigenen Vergangenheit hat, da der Leiter des Heims sie von früher kennt. Ich hatte mir, vor allem dadurch, dass Anne Treleaven Mary bittet ihre eigene Geschichte noch einmal zu schildern, erhofft, dass sie Mary absichtlich diesen Auftrag gegeben haben, damit sie gezwungen ist, ihr Erbe und ihre Vergangenheit zu akzeptieren und offener damit umzugehen. Diese Auflösung hätte ja am Ende des ersten Bandes folgen können, aber es kam nichts. So wirkt es eher wie ein riesengroßer Zufall, dass sie ausgerechnet mit chinesischen Seeleuten zu tun hat, dass sie ausgerechnet zu diesem Heim geführt wird und dass der Leiter sie auch noch aus ihrer Kindheit kennt. Sowas finde ich immer schade, denn man hätte das ja durchaus in die Geschichte einbauen können.
Die Vergangenheit von Mary wird sehr tragisch geschildert, sowohl was den Tod ihres Vaters, als auch was den Tod ihrer Mutter (und die Tätigkeit, der sie gegen Ende ihres Lebens nachgegangen ist) und den Tod von ihrem Geschwisterchen angeht. Auch die Lebensumstände, in denen Mary danach gelebt hat, klingen unglaublich traurig und dass es für Mary als 12-Jährige keine Hoffnung mehr gibt und sie sich gegen ein Todesurteil nicht auflehnt, tut einem unglaublich weh. Gerade diese Lebensumstände haben aus Mary einen sehr sympathischen Charakter gemacht, der unglaubliche Fertigkeiten hat.
Was mir an Ein verhängnisvoller Auftrag von Y.S. Lee besonders gut gefällt ist, dass Mary nicht einfach so besondere Fertigkeiten hat. Sie kann zwar ihre Ausbildung stark verkürzen, aber nur, weil sie viele Fähigkeiten schon besitzt und am Anfang übernimmt sie erst einmal Hilfsarbeiten und soll eigentlich nur zuhören und berichten statt selbst aktiv zu werden und sich in Gefahr zu bringen. In anderen, ähnlichen Reihen kann die Spionin von Anfang an alles und kriegt direkt mit ihrem ersten Auftrag super gefährliche Aufgaben, die sie natürlich alle super bewältigt. Das finde ich immer sehr unglaubwürdig und hier wirkte es deutlich plausibler.
Die Reihe erinnert mich übrigens an die Agency for Scandal-Reihe von Laura Wood. Wer diese Reihe also mochte (bzw. mag), die könnte auch die Meisterspionin Mary Quinn-Reihe mögen.
Dennoch ist der erste Band sehr spannend und ich bin nur so durch die Seiten geflogen. Ich freue mich schon direkt auf den zweiten Band und hoffe, dass dieser ähnlich spannend wird und dass James Easton (trotz des Endes) wieder vorkommt, denn die Wortgefechte zwischen den beiden würde ich sonst arg vermissen. Von mir gibt es also eine klare Empfehlung für den ersten Band der Mary Quinn-Reihe von Y. S. Lee.