Schnelles Lesen, langsames Lesen von M. Wolf

Inhaltsangabe: Schnelles Lesen, langsames Lesen von Maryanne Wolf

In dem Sachbuch Schnelles Lesen, langsames Lesen von Maryanne Wolf beschreibt die Autorin, dass mit dem Bildschirmlesen und den vielen vor Bildschirmen verbrachten Stunden eine Veränderung unseres Gehirns einhergeht. Das Sachbuch ist in neun Kapitel eingeteilt, die sie als Briefe bezeichnet. Die Briefe beginnen jeweils mit der typischen Briefeinleitungsfloskel und enden auch so. Außerdem steht vor jedem Brief mindestens ein Zitat, das inhaltlich zum Brief passt.

Der erste Brief ist mit „Lesen, der Kanarienvogel des Gehirns“ überschrieben. Hier beschreibt die Autorin welche Fähigkeiten das Lesen den Menschen vermittelt; natürlich neben dem Gelesenen selbst. Außerdem fungiert der erste Brief als eine Art Einleitung zum gesamten Buch. Der zweite Brief heißt „Eine große weite Welt – ein etwas anderer Blick auf das lesende Gehirn“, in welchem sich die Autorin mit dem Prozess des Lesens und der Verarbeitung im Gehirn auseinandersetzt. Im dritten Brief, der „Weltvergessenes Lesen – eine gefährdete Kunst?“ heißt, setzt sich Maryanne Wolf mit dem vertieften Lesen auseinander. Sie beschreibt dabei den Perspektivwechsel, den man beim vertieften Lesen vollzieht; diesen kennt vermutlich jeder versierte Leser. Sie beschreibt, dass es vielen Lesern aufgrund der vielen an Bildschirmen verbrachten Stunden und den damit einhergehenden Veränderungen in der Hirnchemie und der Aufmerksamkeitsspanne nicht mehr gelingt sich so lange und so vertieft auf ein Buch, eine Geschichte, zu konzentrieren, dass sie gar nicht mehr richtig in diese eintauchen können.

Im vierten Kapitel stellt Maryanne Wolf einige Überlegungen dazu an wie viel wir lesen, wie wir lesen, was wir lesen und wie geschrieben wird und wie sich all diese Aspekte mit der Digitalisierung ändern, geändert haben und ändern könnten. Dieser Brief heißt „‘Was wird aus den Lesern, die wir einst waren?‘“. Am Ende dieses Briefes beschreibt die Autorin einige Beobachtungen, die sie an sich selbst gemacht hat und wie sich daraus ihr weiteres Forschungsinteresse entsponnen hat.

Im fünften, sechsten und siebten Brief beschreibt Maryanne Wolf diverse Aspekte, die vor allem die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen betreffen, weil diese in digitalen Zeiten aufwachsen. Der fünfte Brief heißt „Aufwachsen in digitalen Zeiten“ und setzt sich dezidiert damit auseinander was mit Kindergehirnen passiert, wenn sie einen unreflektierten Umgang mit Tablets, Smartphones und Fernsehern pflegen. Durch die ständige Beschallung mit digitalen Reizen, werden Kinderhirne derart überfordert, dass sie gar nicht mehr darin trainiert werden ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache zu kanalisieren, so die Autorin. In Kapitel sechs „Vom Schoß zum PC auf dem Schoß in nur fünf Jahren – immer schön langsam“ gibt die Autorin einige Hinweise darauf, wie man Kinder mit Büchern und dem Lesen in den ersten Lebensjahren sozialisieren sollte. „Wissenschaft und Poesie des Lesenlernens (und -lehrens)“ heißt Brief sieben und ist eine Aufforderung die Lehrer zu schulen, den Unterricht umzustrukturieren und in die Bildung und Leseerfahrung der Kinder vor allem im Alter zwischen 5 und 10 Jahren zu investieren, da Kinder in diesen wenigen Jahren unbedingt ausreichend Lesen lernen müssen (auch wenn sie irgendwelche Leserechtschreibschwächen haben), weil es ihnen sonst ungemein schwer fällt, die Schönheit des Lesens später zu lernen und sich die damit einhergehenden Fähigkeiten anzueignen.

Brief acht „Ein zwiefach kompetentes Gehirn“ ist ein Plädoyer für die Schulung beider Kompetenzen: Kinder müssen analoge Bücher lesen lernen und sie müssen digital geschult werden, da sie beide Dinge in ihrem zukünftigen Leben brachen werden. Abschließend bringt Maryanne Wolf in Brief neun „Zurück zu den Wurzeln, liebe Leser – schnelles Lesen, langsames Lesen“ ein Fazit zu ihren vorherigen Überlegungen, sie fasst einige Aspekte noch einmal zusammen und bringt Prognosen für die Zukunft.

Schnelles Lesen, langsames Lesen von M. Wolf

Rezension: Schnelles Lesen, langsames Lesen von Maryanne Wolf

Wie in der Inhaltsangabe beschrieben verwendet Maryanne Wolf in ihrem Sachbuch Schnelles Lesen, langsames Lesen neun Briefe. Diese Form nutzt sie um mit dem Lesern in einen Dialog zu treten, da bei einem Brief ja immer eine Antwort erwartet wird. Dadurch bekommt der Leser die explizite Aufforderung sein eigenes Leseverhalten zu reflektieren. Ich empfand die Briefform insofern als interessant, weil die Autorin viele Aspekte anspricht, die ich auch an mir selbst beobachten konnte. Hier ist natürlich jeder Leser selbst gefragt, aber wenn man ein bisschen Reflexionsvermögen mitbringt, dann kann man sicherlich einige negative Aspekte am eigenen Leseverhalten entdecken und diese beheben.

Auch die Hinweise für die Kindererziehung fand ich interessant. Weniger weil ich mir davon Handlungsvorgaben verspreche, sondern eher, weil man für die Auswirkungen von digitalen Geräten und Bildschirmen auf das Gehirn sensibilisiert wird und dadurch intuitiv merkt, dass sich etwas am Umgang ändern muss. Aufmerksamkeitsdefizite, fehlendes Einfühlungsvermögen und geringe Lesefähigkeiten sind nur einige wenige Aspekte, die sich bereits verschlechtert haben. Wenn ein solcher Umgang einfach weitergeht, werden sich diese Sachen auch nicht einfach wieder verbessern, deshalb ist es notwendig Strategien dagegen zu entwerfen. Maryanne Wolf hält kein mehrere 100 Seiten umfassendes Plädoyer gegen digitale Geräte, Bildschirmlesen und Technik im Allgemeinen, sondern sie macht auf Probleme und Änderungsmöglichkeiten aufmerksam, die sie selbst erforscht hat. Im Gegenteil klingt bei ihr immer wieder die Notwendigkeit an, dass Menschen ganz allgemein den Umgang mit dem digitalen Lesen üben müssen bevor sie darauf dezidiert im vorletzten Brief eingeht.

Im Anhang befinden sich etliche Quellen, die neben den literarischen Zitaten, die sie verwendet, auch auf Forschungsliteratur aller Art verweisen, sodass der geneigte Leser die Möglichkeit hat, noch weitere Literatur zu konsultieren; wobei das ja für ein Sachbuch eigentlich selbstverständlich ist.

Das Buch ist gut strukturiert, es beginnt mit einer relativ allgemein gehaltenen Einleitung, geht weiter mit einer Abhandlung darüber wie lesen überhaupt funktioniert, geht dann auf das Deep Reading ein und behandelt dann den heutigen Ist-Zustand und vergleicht diesen mit der Vergangenheit. Abschließend kommen noch einige Hypothesen und Hinweise und in diesem Kontext auch Veränderungsmöglichkeiten für die Bildung von Menschen im digitalen Zeitalter. Dieser Aufbau ergibt durchaus Sinn und schließt mit einem Plädoyer ab, das sich logisch aus allen vorherigen Briefen ergibt.

Ich muss aber sagen, dass mich zwei Dinge an dem Buch gestört haben: Zum einen hat mir Brief zwei überhaupt nicht gefallen, weil ich die Vergleiche mit einer Zirkusmanege, um zu erklären wie das Lesen im Gehirn abläuft keinen Sinn für mich ergab und es mich eher verwirrt hat, als dass es mir geholfen hätte. Ich weiß, dass eine Vermittlungsform von komplexen wissenschaftlichen Vorgängen ein Vergleich aus der Alltagswelt der Laien ist, aber hier hätte ich mir eine andere Aufbereitung gewünscht. Und zum anderen erschien mir einiges in dem Buch redundant und relativ langatmig, obwohl das Buch eigentlich gar nicht so lang ist (300 Seiten mit Anhang). Vielleicht lag es daran, dass es ein ziemlich anspruchsvolles Sachbuch ist oder dass ich einfach an einigen Stellen nicht gut reinkam, aber das Buch braucht mindestens einen vermutlich aber sogar mehrere Lesedurchgänge und wirklich viel Konzentration.

Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb hat mich dieses Buch aber unglaublich bereichert. Für jeden, der sich für `s Lesen interessiert, der sich gefragt hat, warum er sich beim digitalen Lesen nicht so gut konzentrieren kann bzw. sich nicht so viel behält oder der sich schlichtweg für die Veränderungen in der Lesekultur, die mit der Digitalisierung einhergehen, interessiert, ist dieses Buch bestimmt ein Gewinn. Deshalb empfehle ich Schnelles Lesen, langsames Lesen von Maryanne Wolf gerne weiter.

 

Danke an den Penguin Verlag für das Rezensionsexemplar!