Rezension: Mary Quinn 2 – Eine fast perfekte Tarnung von Y. S. Lee
Um die Hintergründe von Mary gut verstehen zu können sollte man vor dem zweiten Band der Reihe (Eine fast perfekte Tarnung) den ersten Band lesen. Im zweiten wird zwar vieles noch einmal kurz erwähnt, aber Marys komplette Lebensgeschichte und wie sie dorthin gekommen ist, wo sie zum Beginn des zweiten Bandes ist, erfährt man im ersten Band. Das ist hier besonders relevant, weil man dann besser nachvollziehen kann wie sich Mary in ihrer Jungenverkleidung fühlt, denn richtig gut beschreiben weshalb das für sie alte Wunden wieder aufreißt, kann sie nicht. Aber gerade dieses unterschwellig psychologische hat den zweiten Band für mich so authentisch gemacht.
Was ich an Mary besonders mag, ist ihre Unabhängigkeit. Sie plant nicht, den erstbesten Mann zu heiraten und sich von ihm versorgen zu lassen, sondern möchte im Gegenteil lieber unabhängig leben und sich um sich selbst kümmern. Mary weiß auch, dass sie mit ihrer Vergangenheit und ihrer Herkunft wahrscheinlich niemals die Ehefrau von einem respektablen Mann werden wird und zumindest ist sie nicht so naiv, dass sie unbedingt einen Mann heiraten möchte. Auch ihre Stärke, ihr Mut und ihre Geschicklichkeit, gefallen mir sehr gut an ihr.
Die Liebesgeschichte mit James Easton finde ich total spannend, weil beide eine Anziehungskraft verbindet, die sie eigentlich nicht verspüren wollen. James ist integer und braucht/will eigentlich eine Frau, die eine blütenreine Weste hat und gleichzeitig gefällt ihm an Mary gerade ihre etwas unkonventionellere Art, dass sie geheimnisvoll ist und eben keine typische Frau ist. Auf der einen Seite hoffe ich natürlich, dass die beiden irgendwann irgendwie doch noch zusammen kommen und auf der anderen Seite wünsche ich Mary auch, dass sie ein gutes Leben führen kann und sie nicht am Ende auch wieder heiratet (und damit impliziert wird, dass das jede Frau wollen würde).
Nun noch ein bisschen zum Fall: Ich finde diesen Fall besonders deshalb interessant, weil er zeigt wie es der arbeitenden Bevölkerung damals häufig erging und gerade das sollte man im Hinterkopf haben, wenn man diesen Band liest, denn ich finde die Grausamkeit, die hinter dieser Wahrheit steckt, teilweise schwer zu ertragen: ein 12-jähriger Junge, der das Oberhaupt seiner Familie ist, weil seine Eltern tot sind, eine Frau, die von ihrem Mann geschlagen wird (und noch dazu schwanger von ihm ist) und etliche Kinder von ihm hat, obwohl sie selbst noch ein halbes Kind ist, ein Junge, der sich sein Bett nachts mit einem anderen Menschen teilen muss, weil man in der Pension nur ein halbes Bett und ein halbes Handtuch zum Waschen und Abtrocknen erhält, wenn man sich dort einmietet.
Ich finde den Fall insgesamt in Ordnung. Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass er etwas wirklich besonderes ist und auf der andere Seite, war er auch nicht langweilig. Also ein solider Fall, bei dem es Spaß gemacht hat, die Ermittlungsarbeit zu verfolgen, aber der eben nicht nachhaltig in Erinnerung bleiben wird, vermute ich mal.
Ich freue mich auf jeden Fall schon auf den dritten Band der Reihe und habe auch entdeckt, dass es im kanadischen Original noch einen vierten Band gibt, der aber wohl nicht ins Deutsche übersetzt wurde und aufgrund der Tatsache, dass die anderen Bände schon vor fast 10 Jahren übersetzt wurden, wird er das wohl auch nicht mehr. Ich werde also mal gucken wie der dritte Band endet und dann mal gucken, ob man für den Reihenabschluss noch den vierten Band lesen sollte und ich diesen dann eben auf Englisch lesen werde.
Ihr merkt also, dass mir auch der zweite Band der Mary Quinn-Reihe wieder sehr gut gefallen hat und ich auf jeden Fall auch den dritten Band lesen werde. Von mir gibt es also schon einmal eine Empfehlung für den Band und eigentlich am liebsten auch für die komplette Reihe, was mir aber schwer fällt, weil sie eben nie komplett übersetzt wurde.
Mich erinnert Mary Quinn übrigens an Enola Holmes und an Izzy Stanhope aus Agency for Scandal von Laura Wood.