Rezension: Im Café der verlorenen Jugend von Patrick Modiano
Am Anfang wird man einfach ins kalte Wasser gestoßen und weiß nicht mal genau, worum es in dem Roman eigentlich geht. Die Stücke dieses Puzzles werden erst nach und nach zusammengesetzt und so erfährt man erst wer Louki wirklich ist, wenn sie dann im dritten Kapitel selbst zu Wort kommt. Zuvor werden zwar immer wieder Teile aneinander gefügt, aber ein wirklich klares Bild will oder wollte sich zumindest bei mir nicht einstellen. Aber gerade das macht einen Teil des Charmes aus. Leider war mir weite Teile des Romans nicht wirklich klar, wohin die Reise gehen sollte, die der Autor gezeichnet hat.
Da ich leider mit dem Paris der 1960er Jahre auch nicht sonderlich viel anfangen konnte, haben mir weder die genannten Namen, noch die genannte Orte wirklich etwas gesagt, sodass es für mich bis zuletzt eine Reise ins Ungewisse blieb.
Auf den insgesamt ca. 160 Seiten der Taschenbuchausgabe passiert auch nicht wirklich viel. Und auch Loukis Motive, warum sie immer wieder vor den Menschen flüchtet, die ihr nahe – vielleicht zu nahe stehen, bleibt bis zuletzt ungeklärt. Nachdem sie bereits vor ihrer Mutter „geflüchtet“ ist und vor ihrem Mann, die ihr beide nicht wirklich etwas angetan zu haben scheinen, außer, dass sie ihr Bedürfnis nach Nähe nicht erfüllen konnten, flüchtet sie auch vor Roland, indem sie sich in den Tod stürzt.
Irgendwie beschlich mich bei Louki das Gefühl, dass sie eine Art Schatten war, die in zwei Welten lebte. Einmal in jener, in der sie den Kontakt zu Menschen brauchte, die ihr sowohl körperlich als auch emotional nahestehen, auf der anderen Seite lebte sie in jener Welt, in der ihr niemand zu nahestehen durfte und sobald sie wieder an diesem Punkt angelangt war, hatte sie das dringende Bedürfnis auszubrechen und davonzulaufen. Diese ungeklärte Ambivalenz macht es schwer sie zu verstehen und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich sie mag oder nicht.
Alles in allem ein schöner Roman, den man aber vermutlich mehrfach lesen sollte um ihn voll und ganz verstehen zu können – so das denn überhaupt möglich und gewollt ist. Vielleicht macht gerade diese Kohärenzstörung den Zauber des „Café[s] der verlorenen Jugend“ von Patrick Modiano aus.