Rezension: Die Stumme von Chahdortt Djavann
Die Inhaltsangabe von „Die Stumme“ von Chahdortt Djavann findet ihr oben.
Das Buch ist als Roman gekennzeichnet, gibt aber den Erfahrungsbericht von Fatemeh wieder. Am Anfang des Buches finden wir ein Vorwort der Frau, die als Autorin auf dem Einband steht. Sie beschreibt dort wie sie an das Manuskript dieses Buches kam. Eines Tages erhielt sie einen Brief, in dem ihr ein Päckchen angekündigt wurde, das sie einige Tage später erhalten sollte. In diesem Päckchen befinden sich zwei Manuskripte: Ein Heft in persischen Lettern und die dazugehörige Übersetzung.
Fatemeh schreibt ihr Vermächtnis als sie bereits im Gefängnis sitzt, sodass sie in der Retrospektive schreibt. Immer wieder bringt sie kleine Anekdoten aus dem Gefängnis, so zum Beispiel erfahren wir im Laufes ihres Berichts ein paar Dinge über ihren Wärter, der sie mit Opium versorgt, damit sie die Schmerzen nicht zu sehr ertragen muss.
Was mich am Anfang ein bisschen störte, war der unruhige Schreibstil. Sie reiht viele, kurze Sätze aneinander, ohne dabei Verbindungen zwischen diesen herzustellen, teilweise haben die Sätze inhaltlich nichts miteinander zu tun.
Die Tatsache, dass Fatemeh im Gefängnis sitzt, macht sie nicht unsympathisch, allerdings gibt sie ihrer Mutter die Schuld an ihrem Unheil. Faktisch gesehen ist ihre Mutter der Auslöser, der zur Verkettung der unglücklichen Umstände führt und damit hat sie eine gewisse Teilschuld. Aber ich kann nicht nachvollziehen warum ihre Mutter die Hauptschuldige sein sollte, denn niemand hat Fatemeh gezwungen so zu handeln wie sie handelte und somit kann die Jugendliche auch niemandem die Schuld an ihrem Verhalten in die Schuhe schieben. Im Kontext der Tragödie sprechen wir öfter mal von „schuldloser Schuld“ und die finden wir in gewissen Weise auch hier. Fatemeh kann nichts dafür, dass sie die Stumme liebte und unter ihrem Verlust sehr zu leiden hatte. Sie kann nichts dafür, dass sie mit dem Mullah verheiratet wird. Noch weniger als nichts kann sie dafür, dass sie von ihm vergewaltigt wird. Allerdings verhält er sich ihr ansonsten relativ neutral bis – man will es eigentlich nicht aussprechen – beinahe schon freundlich ihr gegenüber.
Fatemeh bleibt für uns relativ anonym. Wir erfahren nicht wie ihre Eltern und ihre Geschwister heißen oder wie ihre restliche Familie heißt. Man erfährt keinen Nachnamen, nicht einmal eine Stadt wird genannt.
So dieser tragische Bericht, soweit dies ein literarisches Werk kann, der Wahrheit entspricht, kann ich „Die Stumme“ von Chahdortt Djavann weiterempfehlen, allerdings – und ohne hier zu viel verraten zu wollen – sollte man mit einem plötzlichen Ende, denn es endet wie es begann, sehr plötzlich, rechnen und sich auf ein weitaus traurigeres Ende gefasst machen, als man es ohnehin von Anfang an vermutet.