Bei Morphium von Agatha Christie handelt es sich um einen Gerichtskrimi. Im Prolog bekommt der Leser schon erzählt, dass Elinor Carlisle für einen Mord vor Gericht steht. Erst danach wird aufgedröselt wie es so weit kommen konnte. Über viele Seiten erfährt der Leser die Vorgeschichte. Er erfährt vom anonymen Brief, vom Tod der Tante und der Erbschaft, von der gelösten Verlobung und erst danach geschieht der zweite Mord. Dann gibt es einen großen Sprung zu den Ermittlungen von Poirot, bei denen dieser nach und nach entschlüsselt, welcher Zeuge was gesehen hat. So kommt der Detektiv nach und nach dahinter, wer außer Elinor noch ein Motiv haben könnte und er kann so vor Gericht endlich den Fall auflösen. Diese Struktur fand ich besonders toll, da der Mord offenbar mühevoll in Kleinstarbeit auflösen lässt, vorher aber unglaublich viele Zeugen befragt werden müssen. Hier sieht man mal wie ein Mordfall von der Struktur her aufgebaut sein kann. Und man hat gerade durch diese Struktur die Chance die Figuren ein bisschen besser kennenzulernen.
Immer wieder deutet der Detektiv an, dass die Zeugen ihn alle anlügen, sodass der Leser zumindest darüber aufgeklärt wird. Dies ermöglicht es dem Leser zumindest in gewisser Weise mitzuraten, aber dadurch, dass Poirot verschiedene Theorien verfolgt, was natürlich sinnvoll ist als Detektiv, bleibt auch der Leser lange im Dunkeln. Darüber hinaus hat mir das Ende gut gefallen, denn im Gerichtssaal löst Poirot den Fall zwar eigentlich auf, aber als Leser bekommt man davon nichts mit, weil Poirot seine Aussage macht und danach direkt die Verteidigungsrede und eine Rede des Richters erfolgen. Erst als Poirot mit seinem Auftraggeber Dr. Lord spricht, bekommt auch der Leser die gesamte Auflösung, obwohl ihm vorher durch die Zeugen- und Expertenaussagen schon vieles klar wird. Diese häppchenweise Auflösung fand ich sehr spannend, weil sie mehr Dynamik in das Ende bringt.
Man lernt am Anfang die Figuren besser kennen und hat so die Möglichkeit, Einblick in deren Gefühle und Gedanken zu haben. Dies liegt an der oben beschriebenen besonderen Struktur. Dies ist insofern bemerkenswert als dass dies bei Christie nicht allzu häufig ist. Gerade deshalb hat es mir wohl auch so gut gefallen, weil man einfach einen besseren Zugang zu den Figuren hat, als sonst bei Christie. Dennoch ist nicht eine Figur dabei, bei der man besonders mitfiebert; vielleicht abgesehen von Elinor Carlisle bei der man nicht sicher ist, ob sie schuldig ist oder nicht.
Insgesamt hat mir Morphium von Agatha Christie wirklich gut gefallen und ich empfehle diesen Gerichtskrimi sehr gerne weiter, denn gerade die besonderes Struktur macht diesen Krimi so lesenswert.