Ich muss ganz ehrlich sagen, dass das Theaterstück, Miss Sara Sampson, an Aktualität ein Stück verloren hat, da heutzutage wenige Väter so böse werden würden, wenn sie erfahren, dass ihre Töchter mit ihrem Freund geschlafen haben. Allerdings ist der Wunsch eines Vaters, seine Tochter zu schützen immer noch gegenwärtig. Interessant finde ich besonders, dass das Stück aus sehr vielen wirren Fäden besteht. Sara war so ziemlich ehrlich zu jedem, aber Mellefont hat ihr vieles vorenthalten, was für Sara überlebenswichtig gewesen wäre. Marwood spinnt ihre eigenen Lügen, hat aber natürlich kein Interesse daran, Sara zu schützen, wobei ich die Wut auf die junge Frau nicht nachvollziehen kann, schließlich ist diese ein unbescholtenes Ding, das vermutlich die Tragweite ihrer Handlungen nicht vollends überblicken konnte, da ihr Details über die Beziehung zwischen Marwood und Mellefont vorenthalten wurden. Sir William Sampson macht offenbar einen Reifeprozess durch. Er merkt, dass er mit seiner Wut nicht nur seine eigene Tochter vertrieben hat, sondern auch am Ende einsam dasteht und dass er möglicherweise auch seine Enkelkinder nicht kennenlernt, wenn er seiner Tochter nicht vergeben kann.
Besonders interessant finde ich, dass das Stück aus der Epoche der Aufklärung stammt und man entsprechende Züge auch findet. Sara gibt sich selbst die Schuld für ihr untugendhaftes Verhalten. Sie gibt zwar zu, dass es ohne Mellefont nicht dazu gekommen wäre, aber sie lässt nicht mit sich verhandeln, dass sie die größte Verantwortung für die Geschehnisse trägt. Dieses Herausstellen finde ich besonders bemerkenswert, denn sie übernimmt damit die Verantwortung für ihr eigenes Handeln und ist bereit den Preis dafür zu zahlen, obwohl sie einen inneren Kampf austrägt. Sie möchte sich mit ihrem Vater versöhnen und hat Angst, ihn mit ihrem Verhalten näher ans Grab gebracht zu haben, auf der anderen Seite liebt sie Mellefont und will mit ihm zusammen sein.
Alles in allem gefiel mir das bürgerliche Trauerspiel Miss Sara Sampson von Gotthold Ephraim Lessing recht gut und ich kann es nur empfehlen dieses Stück mal zu lesen oder es sich auf der Bühne anzusehen, der Stoff scheint mir in gewisser Weise noch aktuell, da Themen wie Liebe, Eifersucht und Intrige in keiner guten Liebesgeschichte fehlen dürfen, wenngleich das Thema des Unkeuchheit heute nicht mehr ganz so aktuell zu sein scheint.