Mordssommer von Ulrike A. Kucera ist der zweite Teil der Jaspersen-Reihe, aber es ist nicht nötig beide Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen, denn ich kann mich kaum noch an den ersten Band erinnern und empfand das nicht als störend.
Als kleine Vorabwarnung: Diese Rezension wird Spoiler enthalten!
Fangen wir mit den Charakteren an: Ich fand sie alle sehr unsympathisch. Jaspersen ist ein Eigenbrödler, der zwar Sabine, seiner alleinerziehenden Kollegin den Rücken stärkt, das ist dann aber die einzig positive Eigenschaft, die er hat. Er raucht wie ein Schlot und seine Tiraden darüber, dass die armen Raucher in der Öffentlichkeit ja gar nicht mehr rauchen dürfen, waren einfach nur noch nervig. Hinzu kam, dass er seine Kollegen belügt, dass er ihnen seine Ermittlungsergebnisse verschweigt und dass er nicht wirklich mit ihnen zusammenarbeitet. Meiner Ansicht nach müsste er als Chef der Abteilung außerdem vermittelnd zwischen Schedlbauer und Kluge eingreifen, stattdessen ergreift er Partei, lässt zu, dass alles aus dem Ruder läuft und die Atmosphäre in seiner Abteilung noch weiter vergiftet wird. Das Verhalten fand ich einfach nur kindisch und total nervig.
Kluge ist eine junge, alleinerziehende Mutter, die sich darüber wundert, dass ihre Kollegen es ihr übel nehmen, dass sie abends und am Wochenende nicht arbeiten kann, weil sie keinen Vater zum Kind hat, der sich um dieses kümmern könnte. Statt mal offen und ehrlich mit ihren Kollegen zu sprechen, damit diese Verständnis haben können, ist sie erschüttert über dubiose Gerüchte.
Camilla Dorn möchte mit ihrer Tochter sprechen, da sich diese nur Zuhause aufhält und sich keinen Job und keinen Ausbildungsplatz sucht. Dieses Gespräch, das sie führen möchte, findet aber nie statt. So als hätte die Autorin einfach vergessen, dass sie hier noch einen Nebenhandlungsstrang aufgemacht hatte.
Über die weiteren Charaktere schimpfe ich jetzt nicht mehr im Einzelnen. Gestört hat mich aber bei den Chefs der Polizei, dass sie einfach nur einen Täter sehen wollten, für sie war es wichtig, dass jemand verhaftet wurde, ob derjenige der Täter ist, ob dessen Leben verpfuscht wird, wenn er verhaftet wird, das war ihnen egal. Selbst Jaspersen ist es egal. Als er Klaus Weber nach dessen Zusammenbruch im Gefängnis besucht und dieser dem Polizisten Vorwürfe macht, dass ihm seine Gesundheit egal sei, meint Jaspersen, dass er sich mal nicht so anstellen solle, da er doch für dringend tatverdächtig gehalten werde, muss er eben damit leben, dass man ihn so sehr gestresst und ihm zugesetzt hat, dass er einen Herzinfarkt bekommen hat. So als sei er selbst schuld, dass er verdächtig war…
Ein weiterer Punkt waren die ekligen Sachen: mich interessiert nicht, welche Symptome Alkoholiker haben, mich interessieren die perversen Sexualpraktiken von irgendwelchen komischen Figuren ebenso wenig und dass sich das eine Opfer kurz vor seinem Tod in einer öffentlichen Toilette selbst befriedigt muss ich auch nicht wissen. Es wirkte fast so als hatte die Autorin einen persönlichen Groll gegen die Figuren und wollte sie so sehr demütigen wie es nur ging; selbst wenn sie nicht die Opfer sind.
Warum eine Autorin ihre Figuren so sehr zu hassen scheint, habe ich nicht verstanden. Das zweite Opfer wird vollends gedemütigt, weil er nicht nur mit einem entblößten Genital in der Öffentlichkeit aufgefunden wird, sondern auch weil ein Mann an einer natürlichen Ursache bei dessen Anblick zusammenbricht und tot in dessen Schoss sinkt, sodass eine sehr eindeutige Pose entsteht, über die sich die Polizisten auch noch lustig machen. Da scheint niemand Mitleid oder Respekt vor den Figuren und dem Tod zu haben.
Und eine Sache noch: Ich wusste von Anfang an, dass Vera Rutloff die Täterin war. Warum sonst hätte eine Autorin das Leben der Gerichtsmedizinerin im Detail beschreiben müssen und das auch noch ganz zu Anfang des Krimis; wo doch Rufloff nicht mal die Ermittlerin ist? Ganz klar: sie ist die Täterin. Wie man einer Figur so viel Leid antun kann, verstehe ich nicht. Wieso mochte die Autorin die Gerichtsmedizinerin so wenig? Erst stirbt ihr Sohn bei einem drogeninduzierten Unfall, dann stirbt ihr Mann (noch relativ jung) an einem Herzinfarkt, in ihrer Kindheit musste sie den Selbstmord ihrer Mutter miterleben und nun ist auch noch ihr Vater geistig verwirrt und stellt ständig irgendwas an. Während der Handlung stirbt der alte Mann auf so grausame Weise, dass ich nicht verstehen kann, welchen Zweck dieser Unfall gehabt haben soll.
Außerdem wirkt dieser Tod komplett unplausibel: der alte Mann meint, er müsse das Haus vor Dieben beschützen. Um die Diebe rechtzeitig zu sehen, klettert er in die Mülltonne. Klar, ein alter gebrechlicher Mann klettert in die Mülltonne. Ich kann mir nicht vorstellen wie er das ohne Hilfsmittel geschafft haben soll. Dort will er warten bis sie kommen. Wie er durch den Deckel der Tonne gucken will ohne diesen anheben zu müssen, weiß ich nicht, aber dieser Denkfehler lässt sich vielleicht auf die Verwirrtheit schieben. Dann sucht er natürlich die Mülltonne aus, die an diesem Tag geleert wird. Solch ein Zufall, sehr unwahrscheinlich. Natürlich merken die Müllmänner nichts, obwohl die Tonne recht schwer sein muss. Trotz dem die Tonne so schwer ist, werfen sie keinen Blick in die Tonne und auch beim Entleeren der Tonne merken sie nichts. Und auch der alte Mann schafft es nicht auf sich aufmerksam zu machen.
Obwohl es sich um einen Regionalkrimi handelt, kommen praktisch keine Beschreibungen von Sehenswürdigkeiten vor. Der Nizza Park am Main-Ufer wird ebenso kurz erwähnt wie das Museumsufer am Fluss. Aber es gibt eben nur eine kurze Erwähnung und keine eingehende Beschreibung. Normalerweise liest man ja solche Krimis, weil man entweder dort wohn, oder dort einmal hinfahren möchte oder dort im Urlaub war und sich noch einmal an die schönsten Sehenswürdigkeiten erinnern möchte. Mit diesem Regionalkrimi kann man aber nichts davon erreichen.
Alles in allem war ich von Mordssommer von Ulrike A. Kucera wirklich enttäuscht und würde es als meinen (zumindest bisherigen) Jahresflop bezeichnen. Ich habe mich schon lange nicht mehr so sehr durch ein Buch durchquälen müssen wie durch diesen Krimi.