In dem Roman Émilie und das kleine Restaurant von Annie L’Italien versuchen drei Frauen ihrer Bestimmung zu folgen: Sie wollen kochen; doch nicht nur für ihre Familie, sondern als richtige Köche in einem Restaurant.
Kommen wir zu dem für mich größten Fehler des Romans: Es geht zu wenig in die Tiefe und zeigt eine ziemliche Idealwelt. Obwohl die ersten beiden Teile der Geschichte in den 1930er und 1960er Jahren liegen, und die Beschränkungen, die den Frauen dort unterworfen sind, durchaus zur Sprache kommen, stolpern diese nicht wirklich darüber. Marie-Juliette möchte Köchin werden, bewirbt sich aber nicht, weil sie Angst hat, abgewiesen zu werden. Durch einen Zufall lernt sie einen Restaurantbesitzer kennen, der sie direkt einstellt und auch noch alle ihre Bedingungen erfüllt. Ja klar, sie arbeitet auch hart und lange für ihn, aber er stimmt sofort allem zu; das hat mir nicht gefallen, weil es viel zu einfach wirkt, auch wenn es für Marie-Juliette nicht einfach gewesen sein mag. Und auch Hélène ist den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit unterworfen: Sie weiß zwar, dass eine Scheidung theoretisch möglich ist, aber man macht sowas nicht, stattdessen lebt man mit dem inzwischen verhassten Partner weiter und stirbt verbittert. Das möchte sie nicht, also lässt sie sich doch scheiden. Aber mir fehlt auch hier die Ausgrenzung aus ihrer Gemeinschaft; schließlich setzt sie sich über gesellschaftliche Konventionen hinweg. Natürlich mögen ihre Bekannten so etwas wie Stolz oder Neid empfinden, weil sie sich traut und sie selbst nicht, aber dennoch müsste da noch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung sein, statt der Unterstützung, die sie erfährt. Schade fand ich auch, dass man bei dem Aufbau von Émilies Restaurant nur sehr oberflächlich dabei war.
Gut, das war ein langer Kritikpunkt, deshalb komme ich direkt zu den positiven Aspekten: Die Idee ist interessant. Die drei Anfänge der Geschichte sind übrigens alle drei sehr, sehr ähnlich, denn es beginnt mit einem verdorbenen Kuchen. Doch abgesehen von ihrer Leidenschaft fürs Kochen haben die drei Frauen wenig gemeinsam: Eine ist bereits verheiratet und hat einen Sohn und wird von beiden gut unterstützt, die zweite hat zwei Kinder und will sich gerade scheiden lassen und die dritte macht gerade ihren Schulabschluss. Und auch die Charaktere könnten nicht unterschiedlich sein, wenngleich es sich bei allen drei Frauen um starke, mutige und willensstarke Frauen handelt. Mir haben alle drei Frauenfiguren sehr gut gefallen, wenngleich man sich natürlich mit der ein oder anderen besser identifizieren kann als mit der anderen.
Besonders spannend fand ich auch, dass diese drei Frauen in vollkommen unterschiedlichen Zeiten gelebt haben und dennoch versucht haben, an ihren Träumen festzuhalten und ihnen gefolgt sind. Auch, dass alle drei Geschichten parallel erzählt werden, war ziemlich faszinierend: Es wechseln sich nämlich die Kapitel von Émilie, Hélène und Marie-Juliette immer ab und so muss man sich immer klar machen, in welcher Zeit man sich gerade befindet. Diese Erzählform hat mir gut gefallen, weil man einfach das Gefühl hatte, alle drei Geschichten gleichzeitig erzählt zu bekommen.
Ich weiß ja nicht, ob ihr solche Bücher öfter lest und ob das normal ist, aber mir hat die Idee super gefallen, dass man am Ende der Kapitel, in denen von Speisen die Rede ist, deren Rezepte findet. Marie-Juliette bereitet beispielsweise einen Rote-Bete-Apfel-Salat zu, dessen Rezept man dann auch direkt nach dem Kapitel findet. Die meisten Rezepte fand ich schlichtweg interessant, weil ich – ehrlich gesagt – von den wenigsten Sachen schon einmal gehört, geschweige sie denn bereits gegessen habe, aber das ein oder andere Rezept werde ich mir auch merken und mal nachkochen. Wer also mal ein paar neue Rezeptideen braucht, kann in diesem Roman sicherlich die ein oder andere exotische Idee finden.
Auch die Idee, dass es einen grünen Koffer gibt, in den alle früheren Besitzerinnen wichtige Erinnerungsstücke legen, hat mir gut gefallen. Darin befinden sich Fotographien, Karten (Post- und Visitenkarten), Listen, Rezepte und vieles mehr. Der Koffer zeigt, wie Rezepte weitergegeben werden, wie diese von verschiedenen Generationen aufgenommen, verändert, modernisiert und verfeinert werden und wie Kochrezepte eben ein Teil der Kultur eines Landes sind, aber eben auch genauso wandelbar. Die Botschaft hierhinter war einfach wunderschön und hat mir einen ganz neuen Aspekt auf Essen und Rezepte geboten.
Insgesamt hat mir der Roman Émilie und das kleine Restaurant von Annie L’Italien sehr gut gefallen und ich kann es nur weiterempfehlen, wenn die Autorin noch ein Buch rausbringt und es mich auch nur halbwegs interessiert, werde ich es mir wohl kaufen, weil mir dieser Debutroman wirklich gut gefallen hat.
Danke an den DIANA Verlag für das Rezensionsexemplar.
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