Die Frau, die den Himmel eroberte von V. Giese

Rezension: Die Frau, die den Himmel eroberte von Vanessa Giese

Bei Die Frau, die den Himmel eroberte von Vanessa Giese handelt es sich um einen biographischen Roman.

Käte Paulus war mir am Anfang recht sympathisch. Sie lebt ihr Leben, und obwohl sie sich um ihre Mutter kümmert und sie finanziell unterstützt, will sie mehr vom Leben. Sie ist nicht glücklich mit ihrer Stellung, bleibt aber dort, um ihre Mutter mitversorgen zu können. Als sie die Chance erhält, ihr Leben zu verändern, ergreift sie diese und fängt in der Werkstatt von Lattemann an; auch weil ihr das respektvolle Miteinander dort so gut gefällt. Als sie die Beziehung mit Hermann eingeht, macht sie sich zwar Gedanken darüber, dass sie schwanger werden könnte, zwingt ihn aber auch als sie schwanger geworden ist, nicht zur Heirat. Man hat den Eindruck, dass beide eine gleichberechtige Beziehung führen und Hermann Käte den Rücken stärkt wo es ihm möglich ist. Erst im Laufe des Romans wurde mir Käte etwas unsympathischer, obwohl man sie ja im historischen Kontext betrachten musste. An ihr hat man wunderbar gemerkt wie die Stimmung damals im deutschen Reich war. Die Autorin hat die Komplexität eines realen Menschen wunderbar in ihre Figur der Käte Paulus einfließen lassen.

Das Leben von Käte Paulus war überaus spannend. Sie hat vieles erlebt, was eine normale Frau zur damaligen Zeit wahrscheinlich niemals erlebt und erreicht hätte. Das macht ihr Leben überaus lesenswert. Mir persönlich hat der erste Teil, in dem sie mit Hermann Lattemann zusammen war, am besten gefallen. Aber auch ihre späteren Lebensabschnitte halten viel spannendes bereit. Obwohl in einigen Abschnitten nicht viel geschieht, was über den normalen Alltag hinausgeht, war der Roman dennoch kurzweilig.

Der Roman ist auf jeder einen Seite sehr spannend geschrieben und ich wollte immer gerne wissen wie es weitergeht, auf der anderen Seite fand ich die Sprache auch sehr poetisch.

Darüber hinaus lernt man aus einem solchen historischen Roman viel über die historischen Umstände, darunter auch die Gesellschaft, die Kriegsbegeisterung, die Unterversorgung im Krieg und auch die Stellung und Rolle der Frau. Natürlich hat man aus dem Geschichtsunterricht schon gewusst, dass die Deutschen kurz vor dem ersten Weltkrieg total begierig auf den Krieg waren, weil sie fast überzeugt, waren, dass sie diesen gewinnen könnten. So richtig verstanden was damit gemeint ist (ich kann mir das gar nicht vorstellen wieso man sich auf einen Krieg freut), habe ich – zumindest etwas besser – durch den Roman, weil die Stimmung der Deutschen darin gut beschrieben wurde. Auch was diese Unterversorgung im Krieg eigentlich konkret bedeutet, ist mir durch den Roman etwas klarer geworden. Klar ist natürlich, dass es kaum Nahrungsmittel und Kohle gab, aber dass es darüber hinaus auch bei Stoffen knapp wurde und man kaum Ausrüstung fertigen konnte. So etwas wusste man natürlich, aber es noch einmal zu lesen und die direkten Konsequenzen zu lesen, fand ich doch spannend.

Was ich sehr schade fand, weil das einer der Hauptgründe war, weshalb ich das Buch ursprünglich lesen wollte: mir fehlen die Beschreibungen der Städte und Landschaften von oben. Es geht ja darum, dass Käte mit dem Ballon aufsteigt und sie steigt in Städten auf, die ich kenne: Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, (Berlin). Da hätte es mir natürlich gefallen mal einige Eindrücke von ihr aus der Luft zu erhalten. Wie sahen die Städte damals aus? Welche Unterschiede gibt es bei den Städten, wenn man sie von oben sieht? Wie sehen Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen der Städte von oben aus? Auf all diese Aspekte hatte ich mich sehr gefreut und war dementsprechend enttäuscht, dass es solche Beschreibungen eigentlich gar nicht gibt. Für mich wäre das ein elementarer Bestandteil des Ballonfliegens gewesen.

Konstruktionszeichnungen von Ideen und Modellen, die Käte mit Hermann (oder auch alleine) entwirft, wären auch nett gewesen. Immer wieder werden solche Konstruktionen von Käte (als Ich-Erzählerin) beschrieben. Veranschaulichungen hätten mir geholfen, mir diese Ideen besser vorstellen zu können. Natürlich weiß ich nicht, ob solche Konstruktionszeichnungen überhaupt noch existieren, aber interessant wäre das schon gewesen. Eine Zeittafel oder prominentere Jahreszahlen hätten geholfen, die Geschehnisse besser einordnen zu können. Mir fiel es vor allem am Anfang schwer Kätes Alter und die Jahre mit Hermann einzuschätzen.

In diesem Kontext hätte mich auch interessiert welche der Passagen die Autorin aus Quellen entnommen hat. Wofür gibt es Beweise? Wofür gibt es zumindest Hinweise? Und was hat sich die Autorin ausgedacht? Da ich das Genre der biographischen Romane noch nicht gut kenne, weiß ich nicht wie normal ist da ist mit Quellenangaben zu arbeiten, aber ich hätte gerne noch weitere Hinweise darauf erhalten, was belegt ist und wo die Autorin ihre Phantasie verwendet hat, weil manche Lücken durch Schriftstücke, Korrespondenzen und Bilder nicht gefüllt werden konnten.

Insgesamt hat mir Die Frau, die den Himmel eroberte von Vanessa Giese ganz gut gefallen. Der Anfang war für mich stärker als der mittlere Teil und das Ende. Obwohl Käte eine mutige junge Frau war, und in einigen Belangen sicherlich ein Vorbild sein kann, konnte ich sowohl mit ihrer Kriegsbegeisterung als auch mit ihrer Homophobie nichts anfangen. Dass es sich bei Käte um einen realen Menschen handelt und die Romanfiguren dementsprechend komplex sein sollte, hat die Autorin allerdings gut rübergebracht und das hat mir gut gefallen. Insgesamt empfehle ich den Roman gerne weiter, auch wenn er für mich ein paar kleinere Schwächen hatte.

 

 

 

Danke an den Insel Verlag und Vanessa Giese für die Leserunde und das Rezensionsexemplar!

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