Beim Tagebuch eines Lesers von Alberto Manguel handelt es sich um eine fragmentarische Zusammenstellung der Leseeindrücke, die der Erzähler (offenbar Manguel) über ein Jahr hinweg sammelt.
Ich muss zugeben, dass mir die meisten der Hauptbücher, die Manguel in seinem Tagebuch eines Lesers liest nichts sagten. Natürlich kennt man auch den ein oder andere Autor:innen-Namen und das Werk, das er liest nicht, und bei manchen kennt man Werk und Autor:in (vielleicht sogar nur dem Namen nach), aber zumindest hat man schon mal etwas von Autor:in oder Werk gehört.
Gelesen hatte ich von diesen 12 Büchern, ehrlich gesagt, nicht ein einziges, wenngleich mir Margaret Atwood (wenn auch nicht Der lange Traum, sondern Der Bericht der Magd), etwas sagt. Sherlock Holmes kennt man natürlich, Der Wind in den Weiden sagte mir auch etwas. Don Quijote kenne ich selbstverständlich auch und Chamisso und sogar das Werk von ihm der Peter Schlemihl sagten mir etwas, und stehen sogar noch auf meiner Liste, wenngleich ich sie noch nicht gelesen habe. Wells und Kipling kennt man zumindest dem Namen nach.
Auch die vielen anderen Bücher, auf die Manguel verweist sagten mir meistens nichts. Das hängt zum einen sicherlich mit einer anderen Lesesozialisation zusammen. Ich habe bisher viele Deutsche Werke von Deutschen Autor:innen gelesen und kenne vor allem die bekannteren Kanonwerke. Manguel scheint sich auch in anderen Nationalkanons gut auszukennen und hat auch von diesen sehr viele Werke gelesen.
Ich bin mir – auch während des Lesens – nicht sicher gewesen, wie viel Wahrheit und wie viel Fiktion in dem Tagebuch steckt. Geht es hier nur um einen Erzähler, der fiktiv ein Tagebuch zusammenstellt, wobei er eine gewisses Authentizität erreicht indem er nie darüber spricht, dass der Autor und der Erzähler zwei verschiedene Menschen sind. Oder ist der Erzähler wirklich der Autor, der in seinem Tagebuch fragmentarisch seine Leseeindrücke festhält.
Das ist ein weiterer Punkt. Man kann sich das Tagebuch eines Lesers nicht wie ein Lesetagebuch wie man es für die Schule vielleicht schreiben musste vorstellen. Manguel hält seine Eindrücke fragmentarisch fest. Wenn man die Werke selbst nicht gelesen hat, fällt es manchmal wirklich schwer zu folgen. Dennoch ist es mit viel Witz geschrieben und man kann sich natürlich auch seine eigenen Gedanken zu den Gedanken des Lesers machen; das wäre sicherlich ein lustiges Projekt. Auf manchen Seiten finden sich einige recht kurze Absätze, bei denen es sich um fragmentarisch hingeworfene Gedanken handelt.
Insgesamt finde ich das Tagebuch eines Lesers von Alberto Manguel wirklich spannend und ich hatte beim Lesen immer wieder Lust, selbst mal Tagebuch über meine Leseeindrücke zu führen und andere Werke, deren Parallelen und Unterschiede, vergleichbare Motive und Figurenkonstellationen heranzuziehen. Wer sich für die Eindrücke eines Bücherliebhabers interessiert (und sich dann vielleicht sogar eine eigene Leseliste anlegen möchte), der ist mit dem Tagebuch eines Lesers sicherlich gut beraten.