Erzählungen und Novellen ·Hörbücher

Kurz gesagt: Fräulein Else von Arthur Schnitzler

Fräulein Else von Arthur Schnitzler ist eine Novelle, die ich als Hörbuch gehört habe. Deshalb gehe ich sowohl auf den Inhalt als auch das Medium ein.

Else ist mit ihrer Tante im Urlaub in Italien als sie ein Telegramm von ihrer Mutter erhält: Else soll einen anderen Gast im Hotel um ein Darlehen für ihren Vater bitten. Elses Vater kann einfach nicht mit Geld umgehen. Er hat bei allen Verwandten und Bekannten Schulden. Wenn er bis in ein paar Tagen nicht einen Teil des Geldes auftreibt, muss er ins Gefängnis oder begeht vielleicht sogar Selbstmord. Nun soll Else bei einem alten Freund ihres Vaters um 30.000 Gulden bitten. Der Mann macht ihr ein Angebot: er schickt das Geld, wenn sie sich ihm nackt für 15 Minuten zeigt und Else ist brüskiert; sowas kann sie nicht tun. Doch ihr sind auch die Konsequenzen bewusst und so hadert sie mit sich, der Situation, ihren Eltern und dem Geldverleiher (Dorsday). Als ihre Mutter die Summe auf 50.000 anhebt, ist sie schockiert und sieht nur noch einen Ausweg…

Ich finde die Erzählsituation sehr spannend (und gerade wenn man die Novelle als Hörbuch hört), denn Else ist die einzige Figur, die ständig spricht. Man erfährt ihre Innenwelt, ihre Gedanken und Gefühle zu der Situation und die erzählte Zeit und die Erzählzeit sind (fast) deckungsgleich (wenn man mal von den Spaziergängen am Anfang absieht). Andere Figuren treten auf, aber nur in Dialogen, ihre Gedanken erfährt man nur insofern sie diese laut äußern. Besonders schwierig fand ich es, wenn Else meint, dass diese oder jene Figur dies oder jenes sagen könnte und man dann immer erst einmal raushören musste, ob sie jetzt gerade tatsächlich einen Dialog führt, oder sich nur überlegt was sie sagen könnte und was die andere Figuren dann erwidern würde.

Else ist mit gerade 19 Jahren noch recht jung, soll aber dennoch eine große Verantwortung tragen. Ihre Eltern haben auch schon überlegt, sie zu verheiraten, aber bisher wollte Else noch nicht. Außerdem, das habe ich mich gefragt, ist die Frage, ob sie jemanden findet, der sie heiratet, denn dass man ihrem Vater immer wieder mit viel Geld aus der Patsche helfen muss, dürfte auch für einen potentiellen Ehemann klar sein. Auch ihr Verhältnis zum Geld ist interessant: sie meint, dass sie das Geld für ihren Vater gerne verdienen würde, es ihr als Frau aber eigentlich unmöglich ist so viel Geld zu verdienen, auf der anderen Seite meint sie, dass eine Summe von 30.000 Gulden für einen Mann wie Dorsday nichts ist und dass er das aus der Portokasse bezahlt. Das fand ich irgendwie interessant, dass sie da so mit zweierlei Maß misst.

Elses Gedanken rasen auch hin und her: auf der einen Seite will sie weglaufen, ihr ist aber klar, dass sie dafür Geld bräuchte, das sie nicht hat, sie möchte aber ein freies Leben führen, sich nicht von gesellschaftlichen Normen abhängig machen, dennoch will sie ihre Eltern nicht enttäuschen. Sie meint, dass es gut wäre, wenn ihr Vater sich getötet hätte, weil sie dann die Schulden nicht mehr bezahlen müssten und sie keine Angst mehr vor der weiteren Schande haben müssten, auf der anderen Seiten liebt sie ihren Vater und möchte ihn nicht verlieren. Auch dass im Laufe der kurzen Handlung die Summe fast verdoppelt hin, weist auf das hin, was Else befürchtet: auch wenn man ihrem Vater das Geld jetzt leiht, wird es nicht lange dauern (auch wenn ihre Mutter das Gegenteil behauptet) bis ihre Familie in genau der gleichen Situation ist. Else ist insgesamt also total indifferent, was sie tun möchte und sieht keinen anderen Ausweg als unter ihren Bedingungen auf das Angebot Dorsdays einzugehen…

Das Hörbuch wurde von Edith Clever eingesprochen und ich muss sagen, dass sie den Wiener Zungenschlage, das Zurückhaltende, Verunsicherte, Aufbrausende und Überlegende von Else sehr gut hinbekommen hat. Für mich war ihre Darbietung der überzeugend.

Alles in allem hat mir Fräulein Else von Arthur Schnitzler gut gefallen. Ich finde, es handelt sich um eine sehr interessante Novelle, wenngleich ich verstehe, dass man sie nicht unbedingt in der Schule liest. Da die Novelle sehr offen endet, hier die kleine Trigger-Warnung: Else denkt immer wieder darüber nach, sich umzubringen und unternimmt am Ende der Novelle auch einen entsprechenden Versuch.

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